Ghöreder ois?! Ein Beitrag der Universität Zürich

UZH Forschungsteam Geographie


Seit März 2021 erforschen Studierende im Master Geographie der Universität Zürich die Bedürfnisse und Herausforderungen der Nutzer*innen des Planungsgebiets. «Ghöreder ois?!» fragt im Besonderen nach Gruppen, deren Stimmen in Planungsprozessen häufig überhört werden. Im Rahmen einer qualitativen Forschung wurden vier leise Gruppen identifiziert: junge Personen, lokale Arbeitnehmer*innen, marginalisierte Nutzer*innen und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Ziel war es, deren Perspektiven auf die Umgebung des Hauptbahnhofs im Planungsprozess hörbar zu machen. Die kurzen Einblicke dieser Ausstellung bietet eine Vorschau auf die vielschichtigen Bedeutungen des Ortes im Leben dieser Nutzer*innen. Sie zeigen deren Blick auf die Planung, etwa hinsichtlich ihrer Wünsche nach Begegnungsorten, Sorgen vor Veränderungen, Bedürfnisse zum Beispiel nach einer besseren Zugänglichkeit von Ruheorten, sowie ihrer Wahrnehmung von Ausgrenzungsprozessen. Im Verlauf des Sommers 2021 wurden die umfassenden Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.



«Euise HB-Züri» – Junge Stimmen werden laut!




Welche Perspektive bringen junge Menschen in den Planungsprozess? Personen zwischen 15 und 20 Jahren haben ihre Sicht auf das Areal HB – Central in kognitiven Karten gezeichnet. Ihre Grafiken und Erläuterungen zeigen, dass sie das Areal als einen wichtigen Aufenthaltsort nutzen, um Freunde zu treffen und ihre Freizeit zu verbringen. Gleichzeitig verweisen die erhobenen Daten, darunter auch eine online Umfrage mit 142 Jugendlichen, auf Angsträume im Planungsareal, also Orte, an denen Jugendliche sich unwohl fühlen. Zudem nehmen Jugendliche den Verkehr im Areal als stressig und störend wahr. Sie äußern das Bedürfnis nach mehr Park- und Naturraum, beispielsweise entlang der Flüsse. Viele wünschen sich das Bahnhofsareal farbenfroher und lebendiger gestaltet, bespielt von Kunst und Kultur. Als grosse aber bisher leise Stimme im Areal, äußern Jugendliche Bedürfnisse und Ideen, welche im Planungsprozess gehört werden sollten.



Pausen inmitten der Hektik





Für die meisten nur ein Durchgangsgebiet, aber für viele auch ein Arbeitsort: der Hauptbahnhof. Während langer Schichten inmitten der Hektik des Arbeitsalltags und oftmals ohne Tageslicht kommt Arbeitspausen eine grosse Bedeutung zu. Doch eignet sich der Raum rund um den HB für Pausen im Freien? Aus Interviews mit lokalen Arbeiter*innen geht hervor, dass sie sich einen ruhigen, naturnahen Ort, mit Sitzmöglichkeiten wünschen, wie zum Beispiel der Platz rund um das Landesmuseum. Wie das Video veranschaulicht, muss jedoch eine grosse Distanz zurückgelegt werden, um vom Shopville dahin zu gelangen. Dies lohnt sich während einer kurzen Pause kaum. Zudem bieten nahegelegene Pausenorte oft keinen Schutz vor Wind und Wetter. Darüber hinaus zeigen die Forschungsergebnisse auf, dass die befragten Arbeitnehmer*innen lärmige Orte mit viel Verkehr und Menschenandrang meiden. Diese Faktoren bedingen, dass Pausen oft drinnen ohne Tageslicht oder draussen in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes verbracht werden. Den Anforderungen an eine erholsame Pause wird das Planungsareal damit nicht gerecht.



Die Wahren Expert*innen und Macher*innen von Zürich




Transkription


Die Macher*innen und Expert*innen des Raumes um den Hauptbahnhof dürfen im Planungsprozess nicht vernachlässigt werden. Zu ihnen zählt das Forschungsteam obdachlose, suchterkrankte und bettelnde Personen – eine heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Bedürfnissen an den Raum. Die Infrastrukturen und Ressourcen (etwa Einkaufsmöglichkeiten, Witterungsschutz, Lüftungen, Steckdosen, sanitäre Anlagen), die der HB bietet sind für die von uns befragten Personen von substantieller jedoch unterschiedlicher Bedeutung. Ein Großteil der befragten Personen nutzt das Planungsareal um den HB jedoch nur als Durchgangsraum, um zur Arbeit, sowie nahegelegenen Institutionen zu kommen – etwa dem Arud, einem Zentrum für Suchtmedizin. Das Video zeigt, wie die Expert*innen und Macher*innen, sowie Sozialarbeitende den Untersuchungsräume wahrnehmen und nutzen, sowie welche Wünsche sie an die Orte im Planungsareal haben.



Mobil trotz Ischränkig: Wie bewegen sich Menschen mit Mobilitätseinschränkungen?




Wie erfahren Menschen mit Mobilitätseinschränkung das Areal HB-Central? Um diese Frage zu beantworten, wurden Go-Along- und Expert*innen-Interviews mit blinden Menschen, Personen im Rollstuhl, sowie Bewohner*innen von Alterszentren durchgeführt. Trotz der Heterogenität der befragten Personengruppen, sprechen die erhobenen Daten von geteilten Schwierigkeiten, sich rund um den Hauptbahnhof zu bewegen, zu orientieren und sicher zu fühlen: Mit zunehmendem Verkehr und der dazugehörigen Infrastruktur wird das Areal als immer unübersichtlicher erfahren. Zudem erschweren Lärm und Baustellen die Orientierung und effiziente Fortbewegung der befragten Personen. Gleichzeitig zeigt die Analyse die divergierenden Bedürfnisse der Nutzer*innen: Von einem öffentlichen Platz, wie er auf dem Papierwerd-Areal entstehen könnte, profitieren nicht alle Interviewten gleich stark. Einige Befragte schätzen den Coop als zentrale Einkaufsmöglichkeit; blinde Personen fühlen sich auf grösseren Plätzen verloren und rollstuhlfahrende Menschen fühlen sich an stark frequentierten und gleichzeitig engen Orten im Weg. Die Interviews habe auch gezeigt, dass die genannten Personengruppen sehr anpassungsfähig sind und sich trotz der örtlichen Schwierigkeiten nicht einschüchtern lassen, eigene, sichere Routen zu finden und das Areal häufig zu nutzen.

Die Beiträge wurden von Studierenden im Masterstudium am Geographischen Institut in einem eigenen Projektseminar erarbeitet – Andere Stimmen: Stadtforschung zwischen Hauptbahnhof und Central. Die Studierenden sind in der Echogruppe vertreten.